Aus sozialpschologischer und sozio-ökonomischer Sicht sind Nachhaltigkeit und Gewinnstreben leider miteinander unvereinbar. Um die vordringliche Nachhaltigkeit zu erreichen, müssen wir unser gewinnorientiertes Wirtschaftssystem, das allein die Umweltzerstörung bewirkt, konsequent reformieren oder sogar neu aufstellen. Dabei sind wir 30 Jahre im Verzug.
These 1
Gewinnstreben und Nachhaltigkeit
sind miteinander nicht vereinbar.
Wir können nicht mit der immer schneller werdenden und zerstörerischen Spirale des Gewinnstrebens fortfahren und dabei die extrem notwendige und unser Leben erhaltende Nachhaltigkeit voranbringen. Denn, Nachhaltigkeit ist das Gegenteil von Gewinnstreben: Die Nachhaltigkeit erhält das Leben der Menschheit und das Gewinnstreben zerstört es mit System. Auf dem Boden des üblich geprägten Mainstreams des Denkens ist diese einfache Gleichung für viele wahrscheinlich schwer zu begreifen.
Es geht nicht darum in Ismen zu denken, sondern es geht darum, die globale Gesamtsituation klar zu erfassen. Geld ist etwas Totes. Sind wir nur auf Geld aus, werden wir die Lebensgrundlagen der Menschheit systematisch und „erfolgreich“ weiter zerstören.
Sind wir auf das Leben aus, müssen wir auf Nachhaltigkeit aus sein,
dann müssen wir den veräußerlichenden, abtötenden Materialismus überwinden.
Sind wir auf das nachhaltige Leben aus,
müssen wir global unsere sozialen Kompetenzen fördern,
und in unseren Gesellschaften systematisch weiterentwickeln.
These 2
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen
Nachhaltigkeit, Verteilungsgerechtigkeit und sozialer Kompetenz.
Nachhaltigkeit bedarf einer sozialen Wirtschaft und die Verteilungsgerechtigkeit bedarf der sozialen Kompetenz vieler. Wenn wir unseren Selbstwert, unser Glück, daraus zu gewinnen suchen, wie viel Geld wir verdienen, über wie viel Macht wir verfügen, welche Titel wir tragen und welchen Status wir bekleiden, werden wir auf der ganzen Linie scheitern. Durch diese Faktoren sind Zufriedenheit und Erfüllung, Glück und Sinn, die der wahre Erfolg im Leben sind, nicht herbeizubringen.
Wir brauchen keine ökosoziale Marktwirtschaft, sondern ein ökosoziales Wirtschaftssystem, eine Wirtschaft, die für alle arbeitet und die die Natur sorgsam und mit Gefühl behandelt, statt beide auszubeuten, zu vergiften und zu zerstören. Wir brauchen keinen Markt, denn der Markt ist nur auf den Maximalgewinn immer weniger und auf den Verlust von immer mehr Menschen ausgerichtet. Aus Sicht der sozialen Kompetenz besteht der größte Gewinn darin, wenn alle gewinnen, und der geringste Gewinn besteht darin, wenn wenige immer mehr gewinnen und besitzen.
Der Grund für dieses verkehrte Vorgehen besteht im zunehmenden Egoismus, den wir heute weltweit leicht beobachten können. Er führt zu immer größerer Gier, zu immer mehr Gewinnstreben und zu immer intensiverer Gewinnsucht. Der Suchtcharakter wird durch die Börsen deutlich, die wie ein globales Casinos agieren. In einem Casino lässt man einen Einzigen vielleicht viel gewinnen, um den Verlust aller zu kaschieren. Der Spielcharakter der Jetzt-Zeit ist überall zu beobachten. Alle Psycho- und Psychogewinn-Spiele sind negativ, unethisch, destruktiv, entwertend und zerstörerisch. Gewinnstreben und Nachhaltigkeit sind Gegenpole.
Wir können nicht die offensichtlich unsoziale und unsere Umwelt zerstörende egomane Marktwirtschaft weitertreiben und zugleich die Nachhaltigkeit fördern. Wir müssen uns für das Eine oder für das Andere entscheiden – das ist natürlich, wo wir uns derart verfahren haben, äußerst schwer. Wenn wir uns jetzt nicht entscheiden, wird uns die Klimazerstörung zu einer Entscheidung treiben, die für alle äußerst leidvoll und schrecklich sein wird. Es gibt keinen Klimawandel, es gibt nur die durch unser fehlgeleitetes Wirtschaftssystem erfolgende Klimazerstörung, das schon seit über dreißig Jahren extrem krankt. Um Nachhaltigkeit zu erreichen, müssen wir unser Wirtschaftssystem stark reformieren, ja vielleicht sogar total ändern.
Der psychische und soziale Zustand der vielen spiegelt sich in unserem Wirtschaftssystem, das durch immer extremer werdende Egoismen die Umwelt immer mehr kontaminiert, vergiftet und zerstört. Heute möchten die Jungen unerreichbar reiche XXX-Large-Superstar sein und sie wissen gar nicht wie schrecklich das ist. Für die notwendige, lebenserhaltende Nachhaltigkeit brauchen wir keine Egoismen, wir brauchen viele Personen mit sozialer Kompetenz.
Die Ethik der Nachhaltigkeit bedarf eines herausragenden, sozialen Aspektes –der Rücksichtnahme: Rücksichtnahme uns selbst gegenüber, Rücksichtnahme anderen gegenüber und Rücksichtnahme der Natur gegenüber. Das ist das zentrale und wichtigste Thema dieses Jahrhunderts, vielleicht sogar dieses Jahrtausends. Aber Rücksichtnahme ist nicht so leicht zu erlernen. Um diese Qualität weltweit zu integrieren, müssen sehr viele ihre gesamte soziale Kompetenz und Intelligenz entwickeln und sicher implementieren.
These 3
Nachhaltigkeit, die unser Leben ermöglicht und sichert,
kann nur in dem Maß erreicht werden,
in dem wir unsere soziale Kompetenz und Intelligenz erweitern.
Nachhaltigkeit bedarf der sozialen Kompetenz vieler
und sie bedarf ines sozialen, verteilungsgerechten Wirtschaftssystems.
Nachhaltigkeit | ||
r | ||
Soziale Kompetenz | Faires Wirtschaftssystem |
Unser heutiges, unfaires Wirtschaftssystem, fußt nach wie vor auf dem simplen Gesetz des physisch Stärkeren. Es bewegt sich aus sozial- und globalpsychologischer Sicht auf einer ziemlich niederen Entwicklungsstufe, die dem Wesen des Menschseins unwürdig ist.
Anders gesagt: Wenn wir unser Bildungssystem wie bisher weltweit nur sachlich-fachlich ausrichten – und dabei glauben, das wir dann gebildet sind – werden wir auf dem Weg zur Nachhaltigkeit kläglich scheitern. Unsre soziale Bildung ist die weitaus wichtigere, sie ist die entscheidende Bildung. Und was tun wir, wir vernachlässigen sie völlig. Wir laufen der Illusion nach, dass Zufriedenheit und Glück auf materiellen und Image-Faktoren beruht. Das ist vollkommen unzutreffend. Lebendigkeit, Erfüllung und Glück sind Faktoren, die nur durch unserer soziale Kompetenz begründet sind. Und diese verdrängen wir weltweit und noch mehr, wir denken und reden sie sogar krank und klein.
Unsere fehlende, soziale Kompetenz und Intelligenz schafft die systematische und scheinbar erfolgreiche Umweltzerstörung. Es spricht nicht von unserer sozialen Intelligenz, dass wir unsere eigenen Lebensgrundlagen mit so viel Anstrengung und immer größeren Höchstleistungen eliminieren.
Wir müssen in unserem Bildungssystemen neben der sachlich-fachlichen Ausbildung, mit gleicher Kraftanstrengung die praktische – nicht die theoretische Ausbildung – unserer menschlichen und sozialen Intelligenz betreiben. Nur so können wir die Egoismen, die die zerstörerische Jetzt-Situation geschaffen haben, die wir durch Begriffe wie „Klimawandel“ kaschieren, besiegen und zu beseitigen.
Ein faires und gesundes Wirtschaftssystem gründet nicht auf der Ausbeutung der Menschen und der Natur, sondern auf dem Faktor Verteilungs-Gerechtigkeit – es achtet die Menschen und die Natur. Diese Art von Achtung gehört zur Zufriedenheit und zum Glück. Die soziale Formel lautet also:
Wollen wir zufrieden und glücklich sein,
müssen wir die Zufriedenheit und das Glück aller weiterbringen.
Zufriedenheit und Glück sind kein Privatvergnügen. Da alles miteinander verbunden ist und miteinander und aufeinander bezogen ist, können wir nur zufrieden und glücklich sein, wenn wir die Zufriedenheit und das Glück aller im Auge haben und aktiv anstreben.
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