- Entwicklung unserer sozialen Fertigkeiten versus Therapie
Der Begriff Psychotherapie entstammt dem psychopathologischen Denken, dem Denken in Krankheits- Modellen. Sigmund Freud war ja Arzt und war gewohnt psychopathologisch zu denken. Er würde sich wahrscheinlich weigern, von der für alle notwendigen Entwicklung unserer sozialen Fähigkeiten zu sprechen statt von Therapie.
Sobald wir von Therapie sprechen, bewegen wir uns auf der Ebene der Krankheiten. Damit schaffen wir, ob wir es wollen oder nicht, persönliche Entwertungen bis Stigamtisierungen. Psychopathologische Zugangsarten im Psychischen normaler Menschen sind extrem ungünstig und mindern, so wie wir jetzt damit umgehen, unser Selbstwertgefühl. Weil das so ist, wollen viele verständlicherweise die Psychotherapie nicht beanspruchen. Sie sagen zu Recht, ich bin ja nicht krank, deshalb brauche ich auch keine Psychotherapie.
Therapie wird angewendet, wo starke psychische Beeinträchtigungen vorliegen. Parallel zur Therapie brauchen wir breit angelegte, bildende Maßnahmen, die unsere sozialen Fertigkeiten in der Gesellschaft voranbringen.
- Krankheiten als Ereignisse in einem sozio-kulturellen Kontext
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch zu erwähnen, dass psychische Krankheiten nicht für sich existieren, sie entstehen in Verbindung mit einem sozio-kulturellen Rahmen. Würde man jemanden mit Burnout-Anzeichen in eine andere Kultur, in eine ohne Leistungsdruck versetzen, würde er dort diese Symptome nicht zeigen. Ebenso ist es mit Allergien und anderen Beschwerden. Anders gesagt, nicht die Personen sind krank, in denen Burnout-Zeichen auftreten, sondern in diesem Beispiel die Handlungsweisen unserer Gesellschaft sind falsch, die in vielen Burnout-Faktoren oder Allergien erzeugen. Würden wir die Bornout-Zeichen und Allergien richtig deuten, dann würden wir unsere derzeitige falsche, stressende Lebens- und Arbeits-Weise hinterfragen und umstellen, statt jemandem als krank abzustempeln.
- Fachliche und soziale Intelligenz
Bei gegebener fachlicher Kompetenz.
ist die soziale Kompetenz die weit wichtigere.
Der Ausgangspunkt ist, dass in unserem Bildungsbegriff, die Entwicklung unserer sozialen Fertigkeiten nicht beinhaltet ist, was ein gravierender Fehler ist. Das bewirkt die vielen, meistens nicht zugegebenen und verleugneten, Schwierigkeiten im Privaten und Beruflichen. Um sie zu verringern, brauchen wir gesamtgesellschaftlich ein Instrument, eine breit angelegte, praktisch ausgerichtete, Entwicklungsmöglichkeit, um unserer sozialen Fähigkeiten auszubilden. Soziale Skills können nur praktisch vermittelt werden, Theorie allein ist hier nicht am Platz und wäre umsonst.
Wie jeder ein Recht auf fachliche Schulbildung hat, so hat auch jeder ein Recht auf die Ausbildung seiner sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten. Da wir niemanden entwerten, wenn er in die Schule geht und sich fachlich bildet, so brauchen wir auch niemanden zu entwerten, der seine sozialen Kompetenzen praktischweiterbildet. Um das zu ermöglichen, brauchen wir eine Fülle von CSS-Coaches. Das sind Coaches, die primär nicht vergangenheitsbezogen arbeiten, sondern die uns begleiten und uns Impulse geben, damit wir unsere sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten voll entwickeln können. Diese Coaches sind nicht Therapien, sondern Begleiter und Impulsgeber. Wir brauchen hier ein größeres gesellschaftliches Bewusstsein, dass dieser Bildungsbereich völlig brach liegt. Aufklärungsarbeit ist hier angesagt, um eine gesellschaftliche Akzeptanz zu erreichen, die den Menschen vor der sozialen Bildung die Angst und ihre Hemmungen nimmt.
- Der Wert unserer sozialen Fertigkeiten
Um das Berufs- und Privatleben zu meistern, müssen wir auch unsere sozialen Fähigkeiten, insbesondere unsere Kontakt- und Kommunikationsfähigkeit, mit einem Wort unsere Beziehungsfähigkeit, ausbilden. Es bedarf nur der Einsicht, dass unsere sozialen Fertigkeiten ebenso gefördert werden müssen wie die fachlichen. Der soziale IQ ist der, der am meisten über unsere Intelligenz aussagt. Deshalb sollten wir entschlossen daran gehen, unsere sozialen Fertigkeiten auszubilden. Das wird die Eigenständigkeit und den Selbswert vieler stark erhöhen und es wird den sozialen Frieden, der zur Zufriedenheit führt, in den Familien, Betrieben und der Gesellschaft spürbar erweitern. Unsere soziale Intelligenz liegt noch brach und sie hat enormen Nachholbedarf.
Wenn unsere soziale Intelligenz an den Bildungs-Institutionen praktischgelehrt werden würde, ist die Gefahr der Verschulung hoch. Daher schlage ich vor die soziale Kompetenz außerschulisch durch CSS-Coaches den Menschen systematisch und längerfristig +
zu vermitteln.
- Das Coachen der sozialen Fertigkeiten – CSS
Die Psychotherapie und das CSS sind vollkommen unterschiedliche Arbeitsfelder. Während die Psychotherapie stark die Vergangenheit, die Sozialisierung, bearbeitet, arbeitet das CSS von den sozialen Möglichkeiten der Gegenwart hinein in die Zukunft. Die Coaches der CSS begleiten die Menschen und geben ihnen Impulse, um ihr soziales Verhaltens-Repertoire stetig zu erweitern. In diesem Sinn sind die CSS und die Psychotherapie ganz unterschiedliche Arbeits-Ansätze – die einen begleiten Gesunde und bilden sie sozial fort, die anderen behandeln psychisch Leidende.
Wenn wir also genau zwischen der Therapie und dem CSS, dem Coachen unserer Sozialen Fähigkeiten, können wir die sozialen Kenntnisse auf viele in der Gesellschaft übersetzen. Das Ziel ist: Es sollte genauso wichtig sein, in die Schule zu gehen, wie es wichtig sein sollte, seine sozialen Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterzuentwickeln.
© Reinhold Dietrich / 20. Juni 2023